Der letzte Untersuchungsdurchgang ist jetzt schon seit über einem Jahr abgeschlossen. Die Auswertung der erhobenen Daten wird uns aber noch über Jahre beschäftigen. Deshalb möchten wir Sie gerne weiter über die Ergebnisse informieren. Dieser Newsletter beschäftigt sich mit zwei sehr lebensnahen Themen: Lebensqualität vor dem Hintergrund der gesund-heitlichen Situation und dem aus unserer Sicht sehr wichtigen Problem des Mobbing. Wir hoffen, dass die Zusammenfassungen ausreichend verständlich sind. Wer gerne die Originalarbeiten (leider alle auf Englisch, aber das ist die Sprache der Wissenschaft) lesen möchte, findet diese bald auf der Website. Hier die neuen Ergebnisse:
Quelle: Wolke, D., Baumann, N., Strauss, V., Johnson, S., & Marlow, N. (2015). Bullying of Preterm Children and Emotional Problems at School Age: Cross-Culturally Invariant Effects. The Journal of Pediatrics, 166(6), 1417-1422.
Alle Kinder und Jugendliche haben manchmal andere Meinungen als Gleichaltrige oder auch Konflikte mit Anderen. Dadurch lernen sie mitein-ander zu verhandeln und Lösungen zu finden.
Mobben ist was anderes. Beim Mobben versucht eine Person oder eine Gruppe einem Gleich-altrigen systematisch Schmerzen zuzufügen und tut dies dann wiederholt, oft mehrmals in der Woche, über Monate oder Jahre hinweg. Es ist schwer, sich dagegen zu wehren. Mobben kann direkt sein, z.B. durch Schlagen, Erpressung oder Schimpfwörter oder es kann indirekt erfolgen durch Verbreiten von Gerüchten oder dem systematischen Ausschließen aus Aktivitäten (Spielen, Treffen, Freizeitaktivitäten). Heutzutage kann dies oft auch durch elektronische Medien unterstützt werden, von Testmessages bis hin zum Posten auf sozialen Medien (z.B. Facebook, Blogs, Twitter etc.).
Zu unserer Studie: Wir befragten die Eltern zum Mobbing ihrer Kinder. Diese lebten in Bayern (Bayerische Entwicklungsstudie) bzw.in Großbritannien (EPICure Studie) und waren in der 2. und 6/7. Schulklasse. In beiden Studien baten wir die Eltern außerdem, als die Kinder in der 6./7. Schul-klasse waren, die emotionale Probleme ihrer Kinder zu beurteilen (z.B. Ängste, Sorgen, Nieder-geschlagenheit). Beide Studien untersuchten sowohl sehr oder extreme Frühgeborene als auch termingeborene Kinder.
Wie bereits in anderen Studien fanden wir, dass Mobben nicht selten ist und etwa ein Viertel bis ein Drittel der Kinder Mobben in der Schule erfahren hat, sowohl in Deutschland als auch in Groß-britannien. In beiden Ländern nahm das Mobben mit dem Alter zu.
Neu ist unser Befund, dass Frühgeborene in beiden Ländern, gerade als Jugendliche, ein doppelt so hohes Risiko wie Reifgeborene hatten, Opfer des Mobbing zu werden. Wir fanden zudem, egal ob Früh- oder Reifgeboren, dass jene, die chronisch über Jahre gemobbt wurden, häufiger emotionale Auffälligkeiten in der 6./7. Schulklasse entwickelt hatten.
Warum werden sehr Frühgeborene häufiger gemobbt? Dies hängt weniger damit zusammen, dass sie oft etwas kleiner und zarter gebaut sind, sondern mehr damit, dass sie häufiger etwas schüchterner und zurückgezogen in ihrer Persönlichkeit sind. Mobber suchen sich Kinder die leichte Ziele sind, sich nicht wehren und schnell eine Reaktion zeigen (z.B. weglaufen, weinen) und wenige andere Gleichaltrige haben, die ihnen beistehen.
Wichtig ist, dass Eltern immer offen für ihre Kinder sind und diese mit Ihnen vertrauensvoll über Mobbing sprechen können.
Quelle: Baumann, N., Bartmann, P. & Wolke, D. (2016). Titel: “Health-Related Quality of Life Into Adulthood After Very Preterm Birth”. Pediatrics, 137 (4), pii: e20153148. doi: 10.1542/peds.2015-3148. Epub 2016 Mar 25.
Es ist bekannt, dass Einschränkungen in der Gesundheit die Lebensqualität beeinträchtigen können. Im Gegensatz zur objektiven Gesundheitsbeurteilung (z.B. im Rahmen einer ärztlichen Diagnose) geht es bei der gesundheitsbezogenen Lebensqualität um die Wahrnehmung und das Erleben gesundheitlicher Beeinträchtigung durch den Befragten selbst und umfasst körperliches Befinden, die seelische Verfassung und die soziale Situation.
Während die meisten sehr kleinen Frühgeborenen sich gesund entwickeln, so haben sie doch häufiger gesundheitliche Beeinträchtigungen, die sich auf die Lebensqualität bis ins Erwachsenen-alter auswirken können. Wir untersuchten daher in der Bayerischen Entwicklungsstudie, wie sich die Lebensqualität sehr kleiner Frühgeborener vom Jugend- bis zum Erwachsenenalter verändert. Befragt wurden unsere Studienteilnehmer selbst, zusätzlich aber auch noch deren Eltern. Die Fragen zur Lebensqualität betrafen das Seh- und Hörvermögen, die sprachliche, motorische, kognitive und emotionale Entwicklung und Funktionalität, sowie das Auftreten von Schmerzen (Antwortbeispiel zu Sehvermögen: “Kann gedruckte Texte oder einen Freund auf der anderen Straßenseite gut genug sehen, aber mit Brille”).
Unsere Ergebnisse zeigen, dass im Durchschnitt Frühgeborene selbst keine geringere Lebens-qualität im Jugendalter berichten als Termingeborene, die Eltern jedoch die Lebensqualität schon im Jugendalter als weniger gut einschätzen. Interessant ist, dass sowohl Termingeborene als auch Frühgeborene sich im Jugendalter als nicht optimal in der Lebensqualität einschätzen. Dies mag damit zu tun haben, dass Jugendliche durch eine bewegte Phase der Pubertät gehen und insgesamt ihr Leben als negativer beurteilen. Während bei Termingeborenen sich die Lebens-qualität bis zum Erwachsenenalter sowohl selbst als auch durch die Eltern eingeschätzt verbesserte, war dies nicht der Fall für die Frühgeborenen- und deren Elternbeurteilungen. Bei den Frühgeborenen blieb die eingeschätzte Lebensqualität im Verlauf bis zum Erwachsenenalter also auf dem gleichen Niveau, sowohl aus Sicht der Frühgeborenen, als auch der Eltern. Eltern gaben die geringste Lebensqualität für jene Jugendlichen und Erwachsenen an, die unter schweren Behinderungen leiden (siehe in Graphik).
Wir fanden, dass erwachsene Studienteilnehmer und ihre Eltern, egal ob Früh- oder Termin-geboren, ihre Lebensqualität als besser beurteilten, wenn die jungen Erwachsenen Freunde und eine feste Partnerschaft hatten, durch diese gut emotional unterstützt und nicht auf Sozialhilfe angewiesen waren. Für die Lebensqualität ist es daher wichtig dass man sozial eingebunden und emotional unterstützt ist sowie selbst bezahlte Arbeit hat.
Subjektive Einschätzungen und Wahrnehmungen von Gesundheit und gesundheitsbezogener Lebensqualität geben wertvolle ergänzende Informationen zu objektiven Gesundheitsbefunden und können helfen, Behandlungen, Interventionen und weitere gesundheitsbezogene Maßnahmen zu planen und anzupassen. Unsere Untersuchungen zeigen, wie wichtig es ist, immer auch den Standpunkt und die Einschätzung der Betroffenen selbst zu untersuchen, denn diese stimmen oft nicht damit überein, was andere, nicht selbst betroffene, Personen denken.
Unsere Befunde weisen darauf hin, dass optimale Versorgung sich nicht nur um die körperliche Gesundheit, sondern auch um die Förderung der sozialen Eingebundenheit und die emotionale Unterstützung kümmern sollte.
Zum Abschluss ist darauf zu verweisen, dass wir in unserer Studie nur auf Durchschnittswerte schauen, um Unterschiede zu identifizieren. Dies bedeutet allerdings auch, dass die Mehrheit der Frühgeborenen eine gute Lebensqualität hat.
Selbst- und elternberichtete Lebensqualität vom Jugend- bis zum Erwachsenenalter
Für weitere Information zum Mobben hier ein Link zu einer im Radio gesendeten Vortrag von Professor Wolke, gemeinsamer Leiter der BEST: http://dradiowissen.de/beitrag/mobbing-auch-im-erwachsenenalter-nicht-vergessen
Sie wissen, dass wir gerne weiter mit Ihnen in Kontakt bleiben möchten. Deshalb wieder die Bitte, Änderungen von Adresse oder Telefonnummer mitzuteilen. Wir wünschen Ihnen weiter alles Gute und eine schöne Zeit.
Es grüßt Sie das BEST-Team aus dem Studienbüro Bonn,
Prof. Dr. Dr. Peter Bartmann Dr. Barbara Busch