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Newsletter für Teilnehmer/innen – Dezember 2023

Liebe/r Studienteilnehmer/in,

das Jahr neigt sich dem Ende zu und wir möchten Sie gerne wieder über die Fortschritte der Bayerischen Entwicklungsstudie informieren.

Zunächst hoffen wir aber, dass Sie seit dem Frühjahr eine Normalisierung unseres Alltagslebens nach dem Ende der Coronaepidemie haben genießen können. Leider beunruhigen auch politische Entwicklungen, das Bewusstwerden der heraufkommenden Klimakrise und wirtschaftliche Einschränkungen viele von uns.  Deshalb sind wir Ihnen besonders dankbar, dass Sie sich nach wie vor für die Bayerische Entwicklungsstudie interessieren und durch Ihre Mitwirkung eine weitere Entwicklung ermöglichen.

Untersuchungen in Phase VI (auch BEST6@38 genannt)

Als Einstieg in den neuen Untersuchungsdurchgang, den wir im Juni begonnen haben, wurde auch unsere Webseite (www.bayerische-entwicklungsstudie.de) überarbeitet. Hier beschreiben wir die Entwicklung der Studie vom Start 1985 bis heute – der aktuellen BEST6@38. Wir stellen das aktuelle Team vor, das von den drei Standorten in München, Bonn und Warwick eng zusammenarbeitet. Außerdem haben wir ein kurzes Video erstellt, das die einzelnen Untersuchungsschritte der neuen Phase VI (BEST6@38) beschreibt. Die Studie wird aus Mitteln der Europäischen Gemeinschaft finanziert und wurde wiederum von den Ethikkommissionen in München und Bonn positiv beraten.

Auch bei diesem Untersuchungsgang ist das Studienbüro wieder in Bonn (Prof. Dr. Dr. Peter Bartmann) und wird (seit 2009) von Frau Dr. Busch geleitet. Dieses Mal wird sie von Frau Christina Hinrichs und Frau Iris Weyandt unterstützt. Das Bonner Team verantwortet die Terminorganisation, die telefonische Durchführung des Interviews zur Lebensentwicklung und die Organisation der Sammlung von Speichelproben für eine genetische Analyse.

Der vor Ort Untersuchungstermin findet wieder in der Klinik für Neuroradiologie am Klinikum rechts der Isar in München statt. Die Gruppe dort wird geleitet von PD Dr. Christian Sorg unter Mitarbeit von PD Dr. Dennis Hedderich, Frau PD Dr. Benita Schmitz-Koep, Dr. Marlene Tahedl und Frau Dr. Aurore Menegaux. Zusammen mit der Studienassistentin Kerstin Maisburger und mehreren Medizinstudenten werden dort innerhalb eines halben Tages eine erneute Kernspinuntersuchung des Kopfes, sowie einige Untersuchungen zu allgemeinen körperlichen Funktionen und Tests zu Aufmerksamkeit, Wortkenntnissen und Aufgabenlösung durchgeführt (s.a. Video auf der Website: www.bayerische-entwicklungsstudie.de).

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Dieter Wolke an der Universität Warwick (GB) hat die finanziellen Mittel eingeworben. Er trägt die Verantwortung für die Gesamtleitung der Studie sowie Durchführung und Datenverarbeitung mit seinem Team (Dr. Ahuti Das-Friedel, Kate Evans und Marie Stracke). Das Team in Warwick hat besondere Erfahrung in Langzeitanalysen und führt mit dem Team in München die Datenanalysen durch.

Dank Ihrer großartigen Unterstützung hatte die Studie einen tollen Start. Von Juni bis heute wurden bereits über 100 Teilnehmer nachuntersucht.

Wir danken allen bisherigen Teilnehmern ganz herzlich!

Ihr Interesse an der Studie freut uns sehr und wir hoffen das wir sie alle für die Teilnahme im neuen Jahr gewinnen können.

Wie bisher, möchten wir Ihnen in diesem Newsletter auch einige Forschungsergebnisse aus der Studie in einer kurzen Zusammenfassung vorstellen. In der ersten Arbeit geht es um Schmerzempfindung und in der zweiten Arbeit um die Regulation des Körpergewichtes.

Schmerzen, Müdigkeit und seelische Gesundheit im Erwachsenenalter

(Quelle: Hollund, IMH, Aakvik, KAD, Benum, SD, Ingvaldsen, SH, Lydersen, S, Tikanmäki, M, et al. Psychische Gesundheit, Schmerzen und Müdigkeit bei Erwachsenen, die sehr früh geboren wurden oder ein sehr niedriges Geburtsgewicht hatten. Acta Paediatr. 2023; 00: 1–9. https://doi.org/10.1111/apa.16982)

Viele Frühgeborene mussten in den ersten Lebensmonaten bei der Betreuung auf Neugeborenenstationen schmerzhafte Eingriffe durchmachen. Erfahrungen, die gesunde Reifgeborene nicht machen mussten. Unbekannt ist, ob diese frühen Erfahrungen mit Schmerzen und Stressereignissen auf der Neugeborenenstation zu veränderter Schmerzwahrnehmung bis ins Erwachsenenalter führen. Spüren Frühgeborene noch immer leichter Schmerzen im Erwachsenenalter oder haben die frühen Erfahrungen sie abgehärtet und sie berichten im Erwachsenenalter über weniger Schmerzen?

Darüber hinaus berichten einige sehr früh geborene Erwachsene im Vergleich zu ihren termingeborenen Altersgenossen über weniger Energie. In der Allgemeinbevölkerung berichten Menschen mit psychischen Problemen häufiger von Schmerz- und Müdigkeitserlebnissen. Es ist jedoch eine Henne-Ei-Situation – was kommt zuerst?

Um diese Fragen zu untersuchen, sind viele Teilnehmer erforderlich. Dazu wurden anonyme Daten der Teilnehmer der Bayerischen Längsschnittstudie mit Daten von fünf weiteren Kohorten aus Ländern wie Finnland, Norwegen und dem Vereinigten Königreich kombiniert. In der Bayerischen Längsschnittstudie haben wir die Teilnehmer der 26-Jahres-Untersuchung zu ihrer psychischen Gesundheit, der Schwere ihrer Schmerzen oder Beschwerden in den letzten 4 Wochen und ihrem Energieniveau in den letzten 4 Wochen befragt.

Bezüglich der ersten Frage – wirken sich frühe Schmerzerfahrungen auf die Schmerzerfahrungen im Erwachsenenalter aus – wurde festgestellt, dass sehr früh geborene Erwachsene über weniger Schmerzen berichteten als Reifgeborene, die nur für eine kurze Zeit in Entbindungskliniken betreut wurden. Daher sind sehr frühgeborene Personen im Erwachsenenalter härter im Umgang mit Schmerzen! Im Durchschnitt berichteten sehr Frühgeborenen gegenüber Reifgeborenen nicht über mehr Müdigkeit. Ob früh oder pünktlich geboren, jene die über mehr Schmerzen und Müdigkeit berichteten, hatten auch mehr psychische Probleme wie z.B. mehr Ängste oder Depressionen.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Behandlungen, die den Umgang mit Schmerzen und Müdigkeit verbessern, wahrscheinlich auch die psychische Gesundheit verbessern oder umgekehrt.

Nach zu früher Geburt ist ein anhaltend geringeres Körpergewicht häufig – dazu könnte ein kleineres Volumen einer Gehirnregion beitragen, die in die Kontrolle des Körpergewichts eingebunden ist – der Hypothalamus

(Quelle:Lower hypothalamus subunit volumes link with impaired long-term body weight gain after preterm birth. Ruzok T, Schmitz-Koep B, Menegaux A, Eves R, Daamen M, Boecker H, Rieger-Fackeldey E, Priller J, Zimmer C, Bartmann P, Wolke D, Sorg C, Hedderich DM. Frontiers in Endocrinology 2022 Dec 15;13:1057566. doi: 10.3389)

Ein geringeres Körpergewicht ist nach zu früher Geburt häufig. Im Durchschnitt ist das Körpergewicht auch bis ins Erwachsenenalter geringer – das heißt, manche Frühgeborene haben ein anhaltend niedrigeres Körpergewicht als die Norm. Ein leicht geringeres Körpergewicht ist in der Regel gut für die Gesundheit, ein erhöhtes Körpergewicht, dagegen kann das Risiko für bestimmte Krankheiten erhöhen z.B. die Zuckererkrankung oder erhöhter Blutdruck. Allerdings ist unklar, warum frühgeborene Personen zu einem anhaltend geringeren Körpergewicht neigen.  Die Kontrolle des Körpergewichtes ist vielschichtig – neben der Ernährung spielen bestimmte Hormone (z.B. das Wachstumshormon), Stress, Vererbung, das Körpergewicht bei Geburt und Ernährungsgewohnheiten eine Rolle. Im Gehirn ist der Hypothalamus und hier bestimmte Hypothalamuskerne (siehe Abbildung 1) in die Kontrolle des Körpergewichtes eingebunden. Zum Beispiel kontrollieren ausgewählte Hypothalamuskerne die Herstellung und Freisetzung des Wachstumshormons oder sie tragen zur Kontrolle des Essverhaltens und der Essgewohnheiten bei. Wir wissen dies, weil Schädigungen des Hypothalamus – zum Beispiel durch Blutungen oder Tumore – zu Veränderungen des Essverhaltens und/oder des Körpergewichtes führen.

Abbildung 1: Dieses Gehirnbild zeigt den Hypothalamus in einem MRT Bild von der Mitte des Gehirns aus gesehen. Links unten ist das entsprechende MRT Bild des gesamten Kopfes mit Hals zur Orientierung dargestellt. Rechts ist ein Schema der verschiedenen Unterstrukturen des Hypothalamus; zum Beispiel enthalten die Unterstrukturen 1 und 3 Kerne wie den sogenannten para-ventrikulären Kern PVN, die wichtig für die Kontrolle des Körpergewichtes sind.

Wir untersuchten ob Schwankungen in der Größe des Hypothalamus auch bei einer verringerten Körpergewichtsentwicklung nach Frühgeburt eine Rolle spielen könnten.

Tatsächlich fanden wir in frühgeborenen Erwachsenen der Bayerischen Entwicklungsstudie, dass der Hypothalamus als Ganzes und vor allem die Unterbereiche, die besonders wichtig für die Körpergewichtskontrolle sind, ein etwas kleineres Volumen hatten als bei reifgeborenen Erwachsenen (siehe Abbildung 2, linkes Bild oben). Wie erwartet fanden wir, dass frühgeborene Erwachsene im Mittel eine geringere Körpergewichtszunahme von Geburt bis ins Alter von 26 Jahren haben (siehe Abbildung 2, rechtes Bild oben). Bemerkenswerterweise, fanden wir dann, dass diese verringerte Körpergewichtszunahme mit dem kleineren Hypothalamusvolumen verknüpft war – je kleiner zum Beispiel die Unterstruktur 1+3 aus der Abbildung 1 des Hypothalamus, desto geringer die Körpergewichtszunahme von Geburt ins Erwachsenenalter (siehe Abbildung 2, linkes Bild unten).

Zusammengefasst, jene Kerne des Hypothalamus, die in der Kontrolle der Körpergewichts-zunahme eine Rolle spielen – sind korreliert mit einer verringerten Körpergewichtszunahme – und zwar in beide Richtungen zu starke wie zu schwache Gewichtszunahme über eine Entwicklungsspanne.

 

Abbildung 2. Links oben: Kleinere Volumina des gesamten Hypothalamus und von Unterstrukturen, die Kerne beinhalten, die in der Kontrolle des Körpergewichtes eine Rolle spielen, bei frühgeborenen Erwachsenen. Rechts oben: Im Mittel relative geringere Körpergewichts-zunahme von Geburt bis ins Alter von 26 Jahren nach zu früher Geburt; die Nulllinie stellt den typischen Verlauf für reifgeborene Erwachsene dar – als relative Bezugsgröße. Links unten: Die geringere Körpergewichtszunahme von Geburt zu 26 Jahre (gemessen in Unterschiedswerten Delta) hängt mit dem geringeren Hypothalamusvolumen zusammen – je kleiner der Hypothalamus (genauer Unterstruktur 1+3 aus Abbildung 1), desto geringer die Körpergewichtszunahme.

Möchten Sie zusätzliche Erläuterungen oder haben Sie andere Fragen auf dem Herzen, können Sie sich gerne an das Studienbüro in Bonn wenden.

Jenen die bereits in diesem Jahr teilgenommen haben – vielen Dank. Alle anderen werden wir in 2024 kontaktieren und hoffen auf ihre weitere Teilnahme.

Jetzt bleibt uns nur noch, Ihnen ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest zu wünschen. Gerade in diesem Jahr scheint uns angesichts der Weltlage diese Besinnung und der Rückblick auf das vergangene Jahr so wichtig. Für 2024 schicken wir Ihnen und Ihren Liebsten die besten Wünsche, bleiben Sie gesund und optimistisch und wir würden uns sehr freuen, weiter mit Ihnen in Kontakt bleiben zu können.

Mit herzlichen Grüßen

P.S. Bitte teilen Sie uns Änderungen Ihrer Kontaktdaten (Adresse, Telefon) mit über

Tel: +49 (0)228/ 287-33533 oder Email: BEST@ukbonn.de. Danke!