Mit diesem Newsletter möchten wir uns ganz herzlich bei allen Probanden und Eltern der Bayerischen Entwicklungsstudie bedanken und einen kurzen Überblick über den Stand der Phase 4 der Studie geben!
Die Bayerische Entwicklungsstudie (BEST) hat Ihren Ursprung in der Münchner Perinatal-Studie (Südbayern) und der ARVO-YLPPÖ-Studie (Südfinnland). Für die BEST wurden von April 1985 bis April 1986 Kinder aufgenommen, die in einem bestimmten Bereich Südbayerns geboren wurden. Dies waren zu Beginn 8421 Kinder! Kinder und ihre Eltern wurden im Laufe der Zeit regelmäßig untersucht. Dies geschah zum Zeitpunkt der Geburt, mit 5, 20 und 56 Monaten für die Phase I der Studie. Die Studienfamilien aus Südfinnland wurden anschließend nicht weiter untersucht. Die Studienfamilien der BEST wurden mit 6 + 8 Lebensjahren in Phase II und mit 12/13 Lebensjahren in Phase III untersucht. Im Laufe der Studie richtete sich das Augenmerk der Untersuchungen vermehrt auf die sehr früh (< 32 Schwangerschaftswochen) und sehr leicht (< 1500g) geborenen Kinder und die Kontrollgruppe aus reifgeborenen Kindern.
Nach über 10 Jahren ist es gelungen, eine weitere Phase der BEST zu starten. Es wurden Mittel vom Bundesministerium für Bildung und Forschung bereitgestellt, um die Studie für weitere 6 Jahre fortzuführen. Im Sommer 2009 hat die Phase IV der BEST begonnen. Seit diesem Zeitpunkt wurden mittlerweile über 20 Mitarbeiter eingestellt. Außerdem wurden die Untersuchungen geplant, die dafür notwendigen Tests ausgesucht und teilweise übersetzt, die Untersucher geschult und die Untersuchungsorte eingerichtet. Ein wichtiger Punkt der Studie ist die Rekrutierung der Studienfamilien. Da die letzten Untersuchungen schon über 10 Jahre zurückliegen, ist es eine große Herausforderung alle früheren Studienteilnehmer aufzufinden. Für die Phase IV der Studie sind dies ca. 770 Familien, die wir kontaktieren möchten.
Die Studienmitarbeiter verteilen sich auf mehrere Studienstandorte.
Das Studienbüro befindet sich an der Universitätskinderklinik in Bonn, in der Abteilung für Früh-und Neugeborenenmedizin, unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Dr. Peter Bartmann. Von dort aus werden die Probanden und ihre Familien rekrutiert. Die 3 Mitarbeiter/innen dort kontaktieren die Probanden und koordinieren die Untersuchungen. Außerdem werden vom Studienbüro aus die Elterninterviews koordiniert und durchgeführt und Meetings und Telefonkonferenzen der Studienmitarbeiter organisiert.
Die psychologisch, inhaltliche Leitung übernimmt Herr Prof. Dr. Dieter Wolke, am Psychologischen Institut der Universität von Warwick (England). Herr Wolke hat die Studie seit Beginn begleitet. Er und seine Mitarbeiter/innen sind für die Entwicklung und Supervision der Probandeninterviews und die Auswertung von Daten der Phasen I-III zuständig.
In Augsburg ist das Büro der Untersucher für die Probandeninterviews. Die Untersucher fahren die Untersuchungsorte Augsburg, München, Regensburg oder Deggendorf an.
In der Radiologischen Klinik der Universität Bonn oder am Klinikum Rechts der Isar der Technischen Universität in München finden die funktionellen Kernspinuntersuchungen statt.
Außerdem ist das Koordinierungszentrum für Klinische Studien in Düsseldorf für die Qualitätskontrolle der Studie zuständig.
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Während der Phase 4 der BEST finden 3 Untersuchungen statt:
Die erste Untersuchung ist das Probandeninterview. Hierfür werden die Probanden vom Studienbüro aus kontaktiert und es wird versucht einen Termin in einem der 4 Untersuchungsorte Augsburg, München, Regensburg oder Deggendorf zu vereinbaren. Das Interview findet vor- und nachmittags statt und die Probanden werden z.B. zu ihrer persönlichen Lebenszufriedenheit sowie ihrem sozialen, beruflichen und gesundheitlichen Status befragt. Da viele Probanden in der Ausbildung oder berufstätig sind, werden vom Studienbüro aus unterschiedliche Hilfen angeboten, wie z.B. beim Arbeitgeber eine Freistellung für den Untersuchungstag zu erreichen. Die Probandeninterviews finden seit September 2010 statt.
Nach Absolvierung des Interviews werden die Probanden zu einer Kernspinuntersuchung eingeladen, falls die Probanden hierzu bereit sind und es keine medizinischen Bedenken dagegen gibt. Diese Untersuchung findet in Bonn oder in München statt. In Bonn reisen die Probanden am Vortag an und werden für eine Nacht in der Nähe des Untersuchungsortes untergebracht. Die Kernspinuntersuchung dauert mit Aufklärungsgespräch, Erklärung und Untersuchung insgesamt ca. drei Stunden. Die Kernspinuntersuchungen finden seit Dezember 2010 statt.
Auch die Eltern der Probanden werden wieder in die Studie einbezogen und gebeten an einem Elterninterview teilzunehmen. Dies findet telefonisch und anhand von zugesendeten Fragebögen statt. Das Telefoninterview dauert ca. 20-30 Minuten. Die Elterninterviews finden seit Juli 2011 statt.
Bisher ist es uns gelungen 85 % der Studienfamilien ausfindig zu machen und 66 % wieder für die Studie zurück zu gewinnen! Aufgrund der langen Kontaktpause seit den letzten Untersuchungen in Phase III ist es oft sehr schwierig, an die aktuellen Adressen der Familien zu kommen. Für das Gelingen der Studie ist es von größtem Wert, so viele Studienfamilien wie möglich wiederzufinden. Jeder unauffindbare Teilnehmer ist ein unersetzbarer Verlust für die Studie, da wir keine neuen Teilnehmer aussuchen können und auf die Mitarbeit UNSERER Studienfamilien angewiesen sind! Nur von diesen Familien haben wir die Daten aus früheren Phasen und können Vergleiche mit den Daten aus dieser Phase durchführen.
Bis Ende November 2011 haben 241 Probandeninterviews, 66 Kernspinuntersuchungen und 113 Elterninterviews stattgefunden!
Wir danken allen Probanden und Eltern für ihr Engagement und das uns entgegengebrachte Vertrauen!
Im Rahmen der Bayerischen Entwicklungsstudie konnten wir durch die Bereitschaft und Mithilfe von Eltern und Kindern Daten sammeln, die zu neuen Erkenntnissen geführt haben. Manche dieser Erkenntnisse tragen dazu bei, die Versorgung aller Kinder und deren Eltern zu verbessern. Andere haben besondere Bedeutung für Frühgeborene.
Im Folgenden möchten wir einige wenige Beispiele der Befunde darstellen:
Im ersten Lebensjahr sollte ein Säugling lernen, sein Schreiverhalten zu regulieren, abends selbstständig ein- und die Nacht durchzuschlafen, sowie in der zweiten Hälfte des Jahres den Übergang von Milch- zu fester Nahrung zu meistern. Wir konnten zeigen, daß jeder vierte untersuchte Säugling Schwierigkeiten mit Schreien, Schlafen oder Füttern hat und manche (bis zu 10%) multiple Probleme aufweisen. Jene mit multiplen Problemen werden oft als Kinder mit Regulationsproblemen bezeichnet. Diese können eine große Belastung für betroffene Eltern darstellen.
Bei ungefähr 8% der Kinder hielten die Regulationsprobleme während des gesamten Vorschulalters an und es zeigte sich, dass diese Kinder etwas häufiger Probleme im Sozialverhalten hatten und selbst mit fünf Jahren noch schlechter schliefen oder aßen.
Die Studie hat zu einer Gesamtbetrachtung des Einflusses von frühen Regulationsproblemen auf späteres Verhalten geführt, d.h. wir haben alle Studien (über 20) zu dem Thema zusammengetragen und studienübergreifend analysiert (Meta-analyse). Dabei ergab sich folgendes Resultat: Hat ein Kind bereits im ersten Jahr eine Regulationsstörung, so ist das Risiko für eine Störung seiner Verhaltensregulation im Vorschulalter doppelt so hoch wie bei Kindern, bei denen im ersten Lebensjahr keine Regulationsstörung auftrat. Diese Ergebnisse helfen, dass Kinderärzte die betroffenen Eltern nicht einfach damit vertrösten können, dass Kinder da „schon herauswachsen“ – denn manche Eltern und ihre Säuglinge brauchen angemessene Unterstützung.
Ehemalige Frühgeborene haben ein erhöhtes Risiko für Probleme in kognitiven Leistungen, im Sozialverhalten und in ihrer Aufmerksamkeitsregulation als reif geborene Kinder. Diese Fähigkeiten sind sehr wichtig, damit Kinder lernen können und haben einen Einfluss auf den späteren Schulerfolg. Wie stark das Risiko für den Schulerfolg ist, hängt von der Schwangerschaftsdauer ab: zum Beispiel entwickelt nur ein kleiner Teil der moderat Frühgeborenen (Geburt in der 32. – 36. Schwangerschafts-woche) schulische Probleme, während jede verlorene Woche das Entwicklungsrisiko der sehr (< 32 Wochen) oder extrem früh (< 26 Wochen) geborenen Kinder bedeutend erhöht. Viele Eltern und Lehrer erwarten, dass ehemalige Frühgeborene den Rückstand zu ihren Altersgenossen bis zum Schuleintritt aufholen. Die Mehrheit der Frühgeborenen holt auch auf, während jene mit anhaltenden starken Entwicklungsproblemen im zweiten Lebensjahr häufiger noch langfristig kognitive und Schulprobleme haben.
>36 Wochen | 32–36 Wochen | < 32 Wochen | <26 Wochen | |
% in Sonderschule | 2 – 3 | 3 – 8 | 18 | 13 – 31 |
% mit spezieller Unterstützung | 7 – 14 | 8 – 25 | 20 – 45 | 45 – 62 |
% mit Rechenschwäche | 2 – 12 | 2 – 31 | 26 – 69 | |
% mit Lese-Rechtschreib-schwäche | 5 – 9 | 6 – 34 | 24 – 34 | 22 – 64 |
% mit Aufmerksamkeits-problemen | 1 – 13 | 16 – 21 | 12 | |
% mit kognitiven Problemen | 2 -14 | 19 | 22 – 26 | 29 – 66 |
% mit schulischen Leistungen unter dem Durchschnitt | 5 – 8 | 12 | 48 | 50 – 78 |
% die eine Klasse wiederholen | 8 | 19 | 30 | 19 – 43 |