Hiermit möchten wir Ihnen unseren Newsletter 2018 vorstellen. Durch Ihre Hilfe war es möglich, mehrere wichtige Ergebnisse unserer Langzeit-untersuchung zu veröffentlichen, von denen wir Ihnen hier zwei Beispiele vorstellen:
Veränderungen im basalen Vorderhirn erklären bei frühgeborenen Erwachsenen den Zusammenhang zwischen Geburtskomplikationen und kognitiver Leistungsfähigkeit
Frühere Studien haben gezeigt, dass es bei Frühgeborenen einen Zusammenhang zwischen medizinischen Geburtskomplikationen und langfristiger geistiger Leistungsfähigkeit gibt, d.h. je mehr Komplikationen, desto wahrscheinlichersind kognitive Einbußen. Unklar war bisher jedoch, wie dieser Zusammenhang durch das Gehirn ‚vermittelt‘ wird. Es ist zum Beispiel denkbar, dassmedizinische Komplikationen (z.B. ein frühgeburtlicher Sauerstoffmangel) zu Veränderungen in besonders anfälligen Gehirnbereichen führen kann, was letztlich geringere kognitive Leistungen im Erwachsenenalter zur Folge habenkönnte. Ein Gehirnbereich, der aufgrund seiner besonderen Anfälligkeit für frühe Störprozesse in Frage kommt, ist das so genannte basale Vorderhirn. Das basale Vorderhirn besteht aus einer Ansammlung von Nervenzellen, die den Botenstoff Acetylcholin produzieren und mittig unter den Vorderlappen liegen. Wenn diese Nervenzellen aktiv werden, setzen sie Acetylcholin frei und nehmen damit Einfluss auf die Aktivität anderer Regionen im Gehirn. Aus diesem Grund wird dem basalen Vorderhirn eine wichtige Rolle bei verschiedenen kognitiven Prozessen (z.B. Aufmerksamkeit) zugesprochen. Daher untersuchten wir in der vorliegenden Studie die Hypothese, ob anatomische Veränderungen im basalen Vorderhirn (d.h. ein verringertes Volumen als Ausdruck veränderter Entwicklung)den Zusammenhang zwischen medizinischen Komplikationen und langfristiger kognitiver Leistung erklären bzw. ‚vermitteln‘ können.
Dazu untersuchtenwir 99 früh- und 106 reifgeborene junge Erwachsene aus der Bayerischen Entwicklungsstudie mittels Kernspintomographie.
Wir fanden, dass das Volumen des basalen Vorderhirns bei den frühgeborenen Erwachsenen im Vergleich zu ihren reifgeborenen Kollegen um ca. 5% verringert war. Der Grad an Volumenverringerung vermittelte dabei die Wirkung von medizinischen Komplikationen bei der Geburt auf die langfristige kognitive Leistung im Erwachsenenalter.
Unsere Analysenlegen also den Schluss einer ‚ursächlichen Kette‘ nahe: medizinische Komplikationen wie sie im Rahmen einer Frühgeburt auftreten können, führen zu Veränderungen in der Entwicklung des basalen Vorderhirns, die letztendlich langfristig die kognitive Leistung beeinflussen. Erfreulicherweise ist das basale Vorderhirn therapeutisch gut ‚zugänglich‘, d.h. es gibt eine Reihe von Möglichkeiten auf die Entwicklung und Funktion dieser Struktur Einfluss zu nehmen. So gibt es bestimmte ‚cholinerge’ Diäten (für die Mutter und/oder den Säuglings), die dasbasale Vorderhirn in seiner Aktivität positiv beeinflussen und damit auch diekognitive Leistungsfähigkeit; auch gibt es Medikamente (z.B.Cholinesterase-Hemmer), die ähnliches zu leisten imstande sind. Unsere Untersuchung ist ein erster Schritt dahin, gegebenenfalls in Zukunft eine gezielte Beeinflussung des basalen Vorderhirns bei Frühgeborenen durch erfolgversprechende Mittel vorzunehmen, um die Spätfolgen einer Frühgeburt positiv zu beeinflussen.
Lebensqualität von Eltern 27 Jahrenach der Geburt eines Frühgeborenen
Die Geburt eines frühgeborenen Kindes ist für die meisten Eltern eine sehrbelastende Situation. Aufgrund der Unreife des Kindes kommt es nach der Geburthäufig zu medizinischen Problemen, die einen langen Aufenthalt in der Klinikerforderlich machen. Auch nach der Entlassung sind weiterführende Therapien und Sorgen bei Familien von frühgeborenen Kindern häufiger als in Familien mitreifgeborenen Kindern. Probleme in der Schule, die psychische Gesundheit unddie Beziehungen zu Gleichaltrigen sind weitere Herausforderungen. Wir wolltendie Auswirkungen dieser besonderen Herausforderungen auf die Lebensqualität und Zufriedenheit von Eltern untersuchen.
Dafür fragten wir die Eltern unserer im Durchschnitt 27 Jahre alten Teilnehmer, wie sie ihre heutige Lebenssituation und Zufriedenheit beurteilen. Anschließend verglichen wir die Antworten der Eltern von frühgeborenen mit denen von reifgeborenen Kindern. Die Gruppe der frühgeborenen Kinder war definiert mit einer Geburt vor 32 Schwangerschaftswochen, also mindestens 8 Wochen vor dem errechneten Geburtstermin und/oder einem Geburtsgewicht von weniger als1500g.
Wir verwendeten zur Befragung die Lebensqualitäts-Skala der Weltgesundheitsorganisation WHO. Dies ist ein Test zur Bewertung der allgemeinen Lebensqualität. Wir stellten Fragen zur körperlichen und psychischen Gesundheit (z.B. „Sind Sie auf medizinische Behandlung angewiesen?“, „Können Sie Ihr Leben genießen?“), sozialen Beziehungen (z.B.„Haben Sie Unterstützung durch Freunde?“) und dem allgemeinen Umfeld (z.B. „Wie gesund sind die Umweltbedingungen in Ihrem Wohngebiet?“). Zusätzlich wurde mithilfe der „Zufriedenheit mit dem Leben Skala“ die Lebenszufriedenheit erfragt (z.B. „ Bisher habe ich die wesentlichen Dinge erreicht, die ich mirf ür mein Leben wünsche.“). Insgesamt konnten wir Eltern von 219 Frühgeborenenund 227 Reifgeborenen befragen.
Es zeigte sich, dass dieL ebenszufriedenheit der Eltern in beiden Gruppen gleich war. Eltern von Frühgeborenen waren sehr resistent gegenüber den erhöhten Belastungen, denen sie aufgrund der Frühgeburtlichkeit ausgesetzt waren. Ausschlaggebend für die Zufriedenheit waren nicht Behinderungen und die schulischen Leistungen ihrer Kinder oder das Eltern-Kind-Verhältnis. Eltern in beiden Gruppen warenzufriedener mit ihrem Leben, wenn ihre Kinder glücklich waren und gute Freunde hatten. Kurz gesagt geht es den Eltern gut, wenn es den Kindern gut geht. Ein Beleg für die Belastbarkeit und Stabilität von Eltern.
In diesem Newsletter wollen wir Sie auch über die neuesten Forschungsprojekte aufeuropäischer Ebene informieren. Die Bayerische Entwicklungsstudie ist Mitgliedim „Research on European Children and Adults Born Preterm“ (RECAP). Dieses Forschungsprojekt bringt insgesamt 20 populationsbasierte Studien aus 13 europäischen Ländern auf eine gemeinsame Plattform. Die Arbeit von Gynäkologen, Neonatologen, Kinderärzten, Psychologen, Pädagogen, Krankenkassen, sowie vorallem den Patienten und ihren Eltern wird hier zusammengebracht.
Zusätzlichwerden aus 4 nordischen Ländern sogenannte Registerstudien, welche Daten aus nationalen Registern ganzer Länder enthält, mit einbezogen.
Alle Daten werden in anonymisierter Form zusammengebracht und somit für einen Vergleich zugänglich gemacht. Damit können auch Aussagen über seltene Gesundheitsprobleme, Risiko- und Resilienzfaktoren mit größerer Sicherheit untersucht werden. Die verschiedenen Geburtskohorten wurden in unterschiedlichen Ländern, zu unterschiedlichen Zeiten und damit auchunterschiedlichen medizinischen Standards erhoben. Durch den Zusammenschluss der Daten kann so erstmals eine Vereinheitlichung der Ergebnisse stattfinden, diemehr Aussagekraft als Einzelstudien hat.
Falls Sie sich gerne selbst ein Bild über dieses Forschungsprojekt machen möchten, können Sie dies auf der Internetseite von RECAP: https://recap-preterm.eu.
Eine der wichtigsten Aufgaben einer Langzeitstudie ist es, sich um die Aktualisierung und den Kontakt zu den Studienteilnehmern zu kümmern. Daher sind wir unermüdlich damit beschäftigt, Ihre Kontaktdaten auf dem aktuellen Stand zuhalten. Wir möchten Sie auch in diesem Newsletter bitten, uns mitzuteilen,wenn sie umziehen oder sich Ihre Telefonnummer oder Emailadresse geändert hat. Dies können Sie jederzeit unproblematisch über das Kontaktformular unserer Homepage (www.bayerische-entwicklungsstudie.de).
Unse rletzter persönlicher Kontakt zu den meisten unserer Studienteilnehmer fand zwischen 2010 und 2013 statt. Da seitdem schon wieder einige Jahre vergangen sind, möchten wir Sie gerne erneut per Telefon kontaktieren und in einem kurzen Gespräch einige Fragen zu Ihrer aktuellen Lebenssituation stellen. Wir sind gespannt, was sich in der Zeit bei Ihnen alles geändert hat. Zusätzlich möchten wir versuchen, die Studienteilnehmer, die wir im letzten Durchlauf nichterreichen konnten oder welche aus den verschiedensten Gründen nicht mitmachenkonnten, zu befragen. Die Bayerische Entwicklungsstudie ist einzigartig in Deutschland und braucht jedes bei Geburt aufgenommene Studienmitglied! Nur so ist die Aussagekraft der Studienergebnisse auf diesem hohen Niveau zu halten. Auch die heutigen Ärzte und Schwestern aber auch Patienten und Eltern profitieren davon.
In der zweiten Jahreshälfte möchten wir auch erstmals das Instrument einerOnline-Befragung einsetzen, welches Sie in anderen Zusammenhängen sicher schon kennen. Die Vorgehensweise und die wichtigsten Fragestellungen werden wir Ihnen im Rahmen des erneuten Telefonkontaktes vorher erläutern.
Wir danken Ihnen für Ihre Verbundenheit mit der Studie und wünschen Ihnen alles Gute.
Es grüßen Sie aus dem Studienbüro Bonn,
Prof.Dr. Dr. Peter Bartmann Prof. Dr. Dr.DieterWolke Dr. Barbara Busch
Die Fortschritte und Ergebnisse der Bayerischen Entwicklungsstudie vom Juni 2015
Die Fortschritte und Ergebnisse der Bayerischen Entwicklungsstudie vom März 2016
Die Fortschritte und Ergebnisse der Bayerischen Entwicklungsstudie vom März 2018
Die Forschritte und die Ergebnisse der Bayerischen Entwicklungsstudie vom Dezember 2019
Die Fortschritte und Ergebnisse der Bayerischen Entwicklungsstudie vom Dezember 2023
Die Fortschritte und Ergebnisse der Bayerischen Entwicklungsstudie vom Oktober 2022
kurz vor dem Jahreswechsel ist wieder eine gute Zeit, Sie mit unserem Newsletter über den Fortgang und die Ergebnisse der Bayerischen Entwicklungsstudie zu informieren.