Liebe/r Studienteilnehmer/in,
kurz vor dem Jahreswechsel ist wieder eine gute Zeit, Sie mit unserem Newsletter über den Fortgang und die Ergebnisse der Bayerischen Entwicklungsstudie zu informieren. Seit Juni des vergangenen Jahres sind wir mit der Durchführung der mittlerweile sechsten Phase der Studie (genannt BEST6@38) beschäftigt. Wir möchten uns sehr für Ihr Engagement bedanken. Es ist einfach schön, immer wieder auf Ihre großzügige Bereitschaft zur Teilnahme zu stoßen. Das ist keinesfalls selbstverständlich, sondern etwas ganz Besonderes. Einer Studie über Jahrzehnte treu zu bleiben, ist eine außergewöhnliche Leistung. Das hat dazu geführt, dass die Bayerische Entwicklungsstudie weltweit größte Anerkennung erfahren hat. Es konnten zahlreiche neue Erkenntnisse gewonnen werden, die jetzt helfen, auch die Entwicklung der nächsten Generationen besser zu unterstützen.
Teilnehmerzahlen und Erfolge: Ein Blick auf die letzten 18 Monate
Nach 18 Monaten seit Beginn der neuen Phase haben wir 380 Teilnehmer/innen kontaktieren können, über 310 haben bereits die telefonische Befragung durchgeführt und über 220 waren zu den Untersuchungen in München. Knapp 280 Speichelproben konnten inzwischen gesammelt und analysiert werden. Danke, dass Sie sich die Mühe gemacht haben. Der Versand, der nur durch eine Nummer gekennzeichneten Probe, in einem Umschlag ohne Absender erlaubt keinen Rückschluss auf die Person.
Neue Möglichkeiten für die Teilnahme: Hausbesuche und flexible
Kontaktzeiten
Leider haben uns auch einige gesagt, dass Sie an der Studie nicht weiter teilnehmen möchten. Wir bedauern das sehr, denn der Erfolg von Langzeitstudien (immerhin haben wir jetzt 38 Jahre hinter uns), hängt von einer konstant hohen Teilnahme ab. Natürlich verstehen wir, dass gerade zum jetzigen Zeitpunkt eine Teilnahme nicht möglich sein kann, aber bei einer nächsten Phase sieht das vielleicht schon ganz anders aus. Viele von Ihnen sind jetzt in der Kinderphase. Da weiß man oft nicht, wo einem der Kopf steht, zumal die Situation in den Betreungseinrichtung immer schlechter zu werden scheint. Deshalb würden wir Sie auch gerne abends oder am Samstagvormittag anrufen, denn viele von Ihnen sind berufstätig und sollten während der normalen Arbeitszeiten nicht angesprochen werden. Manchmal ist es für Sie auch nicht möglich, nach München zu kommen. Deshalb haben wir jetzt die Möglichkeit geschaffen, Hausbesuche durchzuführen. Die ersten Erfahrungen damit waren sehr gut und wir freuen uns, wenn diese Option, bei Verhinderung einer Fahrt nach München, angenommen werden kann.
Vorstellung unseres Teams: Unterstützung für die Studie
Im letzten Newsletter hatten wir Ihnen die Teams in Bonn, München und Warwick vorgestellt. Sie finden sie natürlich auch auf unserer Website. Da insbesondere Kontaktaufnahme und Terminvereinbarung sehr zeitaufwendig sind, haben wir in Bonn jetzt noch Unterstützung durch drei Studentinnen bekommen. Hannah Busch, Helena Freiberg und Oumie Sanyang werden Sie zusammen mit den bekannten Mitarbeiterinnen anrufen. In München plant und organisiert Rebecca Hippen ganz großartig die Durchführung der Untersuchungen vor Ort. Alle vier sind eine tolle Unterstützung.
Einladung zum Sommerfest: Feiern Sie mit uns in München!
Es gibt noch eine Neuigkeit: Am 6.September 2025 ab 16 Uhr möchten wir gerne alle Teilnehmer/innen nach München zu einem Sommerfest einladen. Bitte notieren Sie schon einmal den Termin, die Details kommen dann im nächsten Jahr. Wir freuen uns auf die persönliche Begegnung und für jeden gibt es auch die Gelegenheit, die anderen Teilnehmer/innen kennenzulernen.
Wie in den vergangenen Jahren möchten wir Ihnen wieder Studienergebnisse der Untersuchungen vorstellen:
- Veränderungen der sozialen Beziehungen zu Eltern, Partnern und Gleichaltrigen im Alter von 26 bis 34 Jahren
Gute soziale Beziehungen sind wichtig für Wohlbefinden und ein gesundes, erfülltes Leben. Eine Untersuchung der Bayerischen Entwicklungsstudie (BEST) hat gezeigt, dass auch Menschen, die sehr früh (vor der 32. Schwangerschaftswoche; VPT) oder mit einem sehr geringen Geburtsgewicht (unter 1500 g; VLBW) geboren wurden, ähnlich intensive Beziehungen wie Reifgeborene entwickeln können, allerdings ist dies für sie häufiger schwieriger und herausfordernder. Sie haben Freunde, sind in Partnerschaften und können auf stabile Bindungen bauen – auch wenn sie im Vergleich zu termingeborenen Menschen im Durchschnitt etwas zurückhaltender sind. Um herauszufinden, wie sich die Unterschiede in den Beziehungen zu Eltern, Partnerpersonen und Altersgenossen in den Dreißigern fortsetzt, analysierten wir Daten der Studie von VPT/VLBW und termingerecht geborenen Erwachsenen im Alter von 26 bis 34 Jahren.
Stabile Beziehung zu den Eltern
Die Bayerische Entwicklungsstudie fand heraus, dass sehr früh geborene Erwachsene über 26 bis 34 Jahre hinweg genauso enge Beziehungen zu ihren Eltern haben, wie termingeborene Menschen. Tatsächlich hatten termingerecht geborene Männer mit Mitte dreißig die schlechtesten Beziehungen zu ihren Eltern. Die Mehrheit der sehr frühgeborenen Erwachsenen empfand ihre Beziehung als ähnlich mit der ihrer termingerecht geborenen Altersgenossen.
Gleiche Qualität von Freundschaft
Es gibt einen Unterschied zwischen sehr frühgeborenen und termingerecht geborenen Erwachsenen im Alter von 26 bis 34 in den Beziehungen zu Partnern und Altersgenossen. Dies liegt hauptsächlich daran, dass frühgeborene Erwachsene häufiger über Schwierigkeiten beim Aufbau von Beziehungen berichten. Darunter fällt auszugehen und auf neue Leute zugehen, sowie den ersten Kontakt zu einem potentiellen Partner herzustellen. Trotz des Unterschieds in den Zwanzigern und Dreißigern, verbesserten sich die Werte für Partner- und Freundesbeziehungen zwischen 26 und 34 Jahren bei sehr früh und termingerecht geborenen Erwachsenen gleichermaßen. Wenn Frühgeborene Freundes- oder Partnerbeziehungen haben, dann ist die Qualität dieser Beziehungen gleich.
Wichtige Erkenntnisse
Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass die Beziehung zu den Eltern früh geborener Erwachsener widerstandsfähig ist – trotz des häufig schwierigen Starts ins Leben und der Trennung durch frühzeitige Inkubatorpflege. Das ist beruhigend, da viele Wissenschaftler diesbezüglich langfristige Probleme befürchteten. Die Bayerische Längsschnittstudie zeigte ebenfalls, dass Personen, die als VPT/VLBW geboren wurden, tendenziell introvertierter sind. Das bedeutet, sie sind zurückgezogener, suchen weniger soziale Interaktion und verbringen mehr Zeit alleine. Diese Erkenntnis wird von vier weiteren Studien bestätigt. Dies mag darauf hindeuten, dass die Gehirne von VPT/VLBW eher sensitiv gegenüber der Menge von sozialer Stimulation sind. Es wurde auch gefunden, dass sie mehr grübeln und sich häufiger Sorgen über den Alltag machen.
Zusammengenommen können wir darüber nachdenken, wie wir neue Wege schaffen können, um den ersten sozialen Kontakt mit potenziellen Partnern und Freunden im Erwachsenenalter zu erleichtern, von Gruppen für diejenigen, die introvertierter sind, bis hin zu speziellen Dating-Apps.
Quellen (ins Deutsche übersetzt):
Gonen, E., Twilhaar, E. S., Baumann, N., Busch, B., Bartmann, P., & Wolke, D. Veränderungen in sozialen Beziehungen im Alter von 26 bis 34 Jahren bei sehr früh geborenen Erwachsenen. Pädiatrische und perinatale Epidemiologie, n/a(n/a). https://doi.org/https://doi.org/10.1111/ppe.13133
Liu, Y., Realo, A., Mendonça, M., Baumann, N., Bartmann, P., Räikkönen, K., Heinonen, K., Robinson, R., Marlow, N., Johnson, S., Ni, Y., Kajantie, E., Hovi, P., Tikanmäki, M., & Wolke, D. Der Einfluss einer sehr frühen Geburt auf das Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeitsmerkmale: Eine Metaanalyse der Daten einzelner Teilnehmer. European Journal of Personality, 0(0), 08902070241280101. https://doi.org/10.1177/08902070241280101
- Wie wir durch Messungen der gerichteten Wasserbewegung im Gehirn das Claustrum erforschen – und wie dessen Zelldichte in frühgeborenen Erwachsenen verändert ist
Lage und Rolle des Claustrums im Gehirn
Das Claustrum (abgeleitet vom Lateinischen „verschlossen“ oder „versteckt“) ist eine sehr kleine Hirnstruktur, in beiden Gehirnhälften tief versteckt hinter einem Hirnrindenteil, der Insel genannt wird (siehe Abbildung 1A). Obwohl sehr klein, scheint das Claustrum eine sehr wichtige Rolle in der Kontrolle unserer Hirnaktivität zu spielen. Dies kann man daran erkennen, dass das Claustrum die am stärksten verbundene Region unseres Gehirns ist. Dementsprechend ist es in Aufgaben eingebunden, bei denen viele und oft weit auseinanderliegende Hirnbereiche zusammenarbeiten müssen, wie zum Beispiel bei Wahrnehmungsvorgängen, Aufmerksamkeits-leistung oder im Tiefschlaf, wenn alle Hirnteile in sogenannten Delta-Wellen organisiert sind.
Herausforderung bei der Untersuchung des Claustrums
Wegen seiner Kleinheit und seinen weitverzweigten Verbindungen ist die Untersuchung des Claustrums im Menschen äußerst herausfordernd. In enger Zusammenarbeit mit Spezialisten für medizinische Bilddatenanalysen der Technischen Universität München und mithilfe Ihrer MRT-Bilder im Alter von 26 Jahren konnten wir aber Techniken entwickeln, die es ermöglichen die anatomischen Verbindungen des Claustrums mit anderen Hirnbereichen genau zu charakterisieren. Dafür haben wir sogenannte Wasser-Diffusions-gewichtete MRT benutzt: Indem wir die Bewegungen von Wassermolekülen in alle Richtungen in allen Hirnbereichen gemessen haben, konnten wir die Lage und den Verlauf der Nervenbahnen im Gehirn und insbesondere des Claustrum’s rekonstruieren. Dank dieser Technik konnten wir zeigen, dass das Claustrum des Menschen mit vielen Regionen des Gehirns – hauptsächlich in derselben, aber auch zur anderen Hirnhälfte – verbunden ist. Gerade untersuchen wir, ob die Claustrumverbindungen in Menschen mit zu früher Geburt verändert sind.
Ergebnisse: Verbindungen und Struktur des Claustrums
Zusätzlich zu den Verbindungen des Claustrums haben wir auch Volumen und Feinstruktur des Claustrums studiert und zwischen früh- und reifgeborenen Erwachsenen verglichen. Während das Claustrumvolumen nicht verändert war, konnten wir eine veränderte Wasserdiffusion (d.h. Bewegung) im Claustrum von Frühgeborenen feststellen (siehe Abbildung 1B). Im Durchschnitt hatten frühgeborene Erwachsene, eine erhöhte Wasserbewegung im Claustrum. Dies weist darauf hin, dass die Dichte der Zellen im Claustrum verringert ist – denn weniger Zellen bedeutet, dass die Bewegung von Wassermolekülen weniger gestört wird. Wir haben zudem herausgefunden, dass dies mit dem Geburtsgewicht zusammenhängt: je niedriger das Geburtsgewicht, desto größer ist die Wasserdiffusion im Claustrum. Wie genau eine frühe Geburt die Zelldichte des Claustrums beeinflusst, bleibt noch unerklärt.
Zukunftsperspektiven und Anwendungen
Zusammengefasst hat Ihre Teilnahme an der Bayerischen Entwicklungsstudie es uns ermöglicht, die Verbindungen und die Struktur des Claustrums zu erforschen und darzustellen, wie diese Hirnstruktur in frühgeborenen Menschen, verändert ist. Zurzeit arbeiten wir daran, ob wir dieses Wissen nützen können, um mithilfe des Claustrums den Gehirnzustand nach Geburt besser einschätzen zu können.
Quellen:
Wendt, Jil & Neubauer, Antonia & Hedderich, Dennis & Schmitz-Koep, Benita & Ayyildiz, Sevilay & Schinz, David & Hippen, Rebecca & Daamen, Marcel & Boecker, Henning & Zimmer, Claus & Wolke, Dieter & Bartmann, Peter & Sorg, Christian & Menegaux, Aurore. (2024). Human Claustrum Connections: Robust In Vivo Detection by DWI‐Based Tractography in Two Large Samples. Human Brain Mapping. 45. 10.1002/hbm.70042
Hedderich, Dennis & Menegaux, Aurore & Li, Hongwei & Schmitz-Koep, Benita & Stämpfli, Philipp & Bäuml, Josef & Berndt, Maria & Bäuerlein, Felix & Grothe, Michel & Dyrba, Martin & Avram, Mihai & Boecker, Henning & Daamen, Marcel & Zimmer, Claus & Bartmann, Peter & Wolke, Dieter & Sorg, Christian. (2021). Aberrant Claustrum Microstructure in Humans after Premature Birth. Cerebral Cortex. 31. 10.1093/cercor/bhab178
Abbildung 1. Das Claustrum ist in Erwachsenen, die frühgeboren sind, verändert.
A: Dreidimensionale Darstellung der anatomischen Lage des Claustrums.
B: Messung des Claustrums mit T1-gewichteter (T1w) und Diffusions-gewichteter (DWI) MRT.
C: Oben: Claustrumvolumen ist unverändert zwischen reifgeborenen (FT) oder Erwachsenen, die sehr früh (VP) oder mit sehr geringem Gewicht geboren wurden (VLBW). Unten: Die durchschnittliche Wasserdiffusion (MD) im Claustrum in Erwachsenen, die sehr früh oder mit sehr geringem Gewicht geboren wurden, ist erhöht.
Ihre Meinung zählt: Rückmeldungen zur Teilnahme an der Studie
Wie auch in den vergangenen Jahren freuen wir uns über Fragen zu den Studienergebnissen oder alle Dinge, die die Untersuchungen betreffen. Sie erreichen uns über BEST@ukbonn.de oder telefonisch (mit Rufweiterleitung oder Anrufbeantworter) unter 0228 – 287 33533.
Wir freuen uns, Ihnen im nächsten Jahr nicht nur telefonisch, sondern zu den Untersuchungen auch in München und natürlich besonders zum Sommerfest wieder persönlich begegnen zu können.
Mit großen Schritten kommen jetzt wieder Weihnachten und der Jahreswechsel auf uns zu. Wir wünschen Ihnen Zeit und Gelassenheit, diese immer noch so besonderen Tage zu genießen. Für 2025 Ihnen und Ihren Liebsten alle guten Wünsche, bleiben Sie gesund und schauen Sie nach vorne, auch wenn die Zukunft schwierig aussieht, es gibt immer einen guten Weg. Wir freuen uns, weiter mit Ihnen in Kontakt zu bleiben.
Mit herzlichen Grüßen
P.S. Bitte teilen Sie uns Änderungen Ihrer Kontaktdaten (Adresse, Email, Telefon) über
BEST@ukbonn.de oder +49 (0)228 – 287 33533 mit. Besten Dank!